Wer in China geschäftlich aktiv werden möchte, kommt um die Einrichtung eines offiziellen WeChat-Accounts heute praktisch nicht mehr herum. Mit über 900 Millionen aktiven Nutzern ist WeChat für deutsche Unternehmen in China inzwischen unverzichtbar. Doch wer WeChat als Unternehmer nutzen möchte, sollte sich sowohl um Datenschutz als auch um die Geschäftslizenz Gedanken machen.
Gegründet 2011 war WeChat zunächst ein reiner Messenger-Dienst. Die App hat sich jedoch Schritt für Schritt zum wichtigsten Online-Marketing-Tool für Unternehmen in China entwickelt. Ob Flugticketkauf, Restaurantbesuch oder Taxi-Bestellung: WeChat ist aus dem chinesischen Alltag heute nicht mehr wegzudenken. Auch Millionen von Unternehmen sind mit sogenannten offiziellen Accounts auf der App vertreten. Waren es zunächst vor allem Großunternehmen wie Volkswagen, Siemens oder die Lufthansa, die WeChat nutzten, ist mittlerweile auch ein Großteil der deutschen Klein- und Mittelständler auf der App vertreten.
WeChat-Datenschutz: Experten und deutsche Nutzer sind alarmiert
Wer privat einen WeChat Account eröffnet, wird schon bei der Registrierung stutzig, was die mittlerweile auch in deutscher Sprache verfügbaren Datenschutzbestimmungen angeht. Im Gegensatz zu den meisten im Westen gebräuchlichen Apps verzichtet WeChat beispielsweise auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Auch der Quellcode ist nicht öffentlich zugänglich. AGBs und Datenschutzrichtlinien existieren mittlerweile auch auf Deutsch. Dort steht ganz unverblümt, dass die chinesische Regierung jederzeit direkten Zugriff auf Nutzerdaten hat.
Im chinesischen Internet existieren mittlerweile zuhauf Beispiele von Gerichtsprozessen, in denen Beweise aus Chats vorlegt wurden. So unter anderem in einem Anti-Korruptionsprozess in der Stadt Chaohu (Provinz Anhui) aus dem vergangenen Jahr.
Wer WeChat installiert und nutzen möchte, kommt auch nicht darum herum, der App den Zugriff zum Fotoalbum sowie zu Audiodateien zu erlauben. In meinen Trainingskursen erlebe ich es daher ständig: Das Misstrauen gegenüber der Power-App aus China ist gewaltig. Dennoch können internationale Projektleiter kaum mehr auf WeChat verzichten, ohne den Anschluss nach China zu verlieren.
Viele Unternehmen mit umfangreichen China-Aktivitäten, wie etwa die Messe München, haben sich darauf verständigt, ihre Mitarbeiter dazu zu verpflichten, WeChat nur noch auf Privathandys und nicht über Firmenhandys zu nutzen. Dennoch oder gerade deswegen ist das Interesse an Workshops zum Thema „WeChat“ oder an Online-Marketing in China allgemein, gewaltig.
Ohne chinesische Businesslizenz kein WeChat Marketing
Wer eine Facebook-Fanpage oder einen unternehmenseigenen Twitter-Account eröffnen möchte, dem gelingt dies bereits in wenigen Klicks. Der Registrierung eines unternehmenseigenen WeChat Accounts stellt dagegen für Firmen eine wesentlich größere Herausforderung dar. Und auch hier zeigt sich deutlich: Wer chinesische Zielgruppen ansprechen möchte, der ist gezwungen, sich an die in China geltenden Spielregeln zu halten.
Zur Account-Registrierung innerhalb Chinas wird in der Regel Folgendes benötigt: Eine chinesische Bankverbindung, eine chinesische Personalausweisnummer, eine in China registrierte Handynummer sowie die Fotokopie einer chinesischen Geschäftslizenz. Diese muss ebenso wie die anderen Dokumente auf das WeChat-Portal (微信公众平台) hochgeladen werden. Nur wenn sichergestellt ist, dass alle Dokumente korrekt sind, genehmigt die Betreiberfirma Tencent die Eröffnung.
Vergleichbares gilt für Registrierungen von außerhalb Chinas (International Business Account), auch hier ist die Geschäftslizenz vorzulegen bzw. wie im Fall des Blogbetreibers die Anwaltszulassung. Internationale Accounts existieren zwar schon länger, erst seit Mitte 2018 erreichen sie aber auch Nutzer auf dem chinesischen Festland.
Fazit
Die WeChat-AGBs und die zahlreichen Dokumente, die für die Registrierung eines offiziellen Accounts notwendig sind, sprechen eine deutliche Sprache: Mit WeChat ist man jederzeit der Kontrolle der chinesischen Regierung ausgesetzt und deswegen ist es auch unwahrscheinlich, dass sich die App trotz ihrer zahlreichen Möglichkeiten auf absehbare Zeit in Deutschland durchsetzt. Dennoch können sich Unternehmen, die eng mit China zusammenarbeiten, der App kaum entziehen. Denn anders als bei uns spielt das Internet eine geringere Rolle beim Einkaufsverhalten. Der Autor bietet Workshops an, durch die sich Kunden für die Gefahren aber auch die Chancen beim WeChat-Marketing sensibilisieren lassen können.
Gastbeitrag von Stephan Mayer, editiert von Klaus Beck. Stephan Mayer ist Social-Media-Experte und Gründer der Agentur Sinophilia Consulting Limited mit Hauptsitz in Changshu nahe Shanghai. Sinophilia unterstützt deutsche Unternehmen beim Online Marketing in China. Zu seinen Kunden zählen die Bertelsmann Stiftung, Levaco Chemicals und Jaguar Land Rover. Auf Social Media Blog schreibt er seit 2012 zum Thema „Online Marketing in China“. Ebenso bloggt er regelmäßig für t3n, Adzine sowie china.org.cn.