Das chinesische Gerichtssystem hat in den letzten Jahren gewaltige Forschritte gemacht. Das gilt insbesondere für die Qualität der Richter, die nicht selten ins Ausland zu Fortbildungen geschickt werden oder wenigstens an ausländischen Richterfortbildungen teilgenommen haben, wie sie etwa Deutschland im Rahmen des Rechtsstaatsdialogs anbietet. Auch die zugrunde liegenden Normen werden ständig und stringent überarbeitet. Als grundsätzliches Problem jedoch bleibt ein Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte zu konstatieren. Denn dem parallelen Aufbau von Partei und Staat folgend ist die Verwaltung und damit auch die Justiz entgegen dem Wortlaut der Verfassung zuvorderst den entsprechenden Organen der Partei auf der jeweiligen Ebene verantwortlich. Die sog. Parteikommissionen für Recht und Politik haben selbst über Einzelurteile eine Letztentscheidungsbefugnis. Gerade dies soll nun anders werden.
Im Sommer diesen Jahres war angekündigt worden, dass sich das Zentralkommitte demnächst mit der Frage beschäftigen wird, wie man mehr Rechtsstaatlichkeit erreichen kann. Als Worthülse ist dieses Ansinnen keineswegs neu. Dieses Mal jedoch möchte man die Autorität von der Partei auf die Richter übertragen – zumindest in politisch nicht sensiblen Fällen. Und bereits jetzt wurden entsprechende Pilotprojekte ins Leben gerufen, bei denen Richter mehr Entscheidungsgewalt (und Gehalt) bekommen sollen. Das System der Richterernennung soll ebenfalls reformiert werden. Damit diese nicht allzu abhängig von lokalen Regierungen und deren Interessen werden, sollen Richter künftig von der nächst höheren Ebene eingesetzt werden. Ohne Zweifel die Artikulation eines immanent wichtigen Themas, wecken nicht nur ihre Umsetzung, sondern bereits die Konsequenz bei der Verfolgung der Refom erste Zweifel.
Die geplante Reform kommt zu einer Zeit, in der verstärkt gegen regimekritische Journalisten und Anwälte vorgegangen wird. Der chinesische Anwaltsverband hat soeben Richtlinien entworfen, die sowohl von juristischem Aktivismus als auch von öffentlicher Kritik abschrecken sollen. Richter und Justizpersonal werden zu Studiensitzungen verpflichtet, die ihr ideologisches Bewusstsein schärfen sollen. Andererseits scheint das harsche Vorgehen gegen Korruption und Wettbewerbsverstöße durchaus ernst gemeint, und hat auch nicht vor den beiden chinesischen Telekomgiganten haltgemacht. Langsam aber sicher mögen sich daher auch bei der Rechtspflege Verbesserungen ergeben.