Seitdem sich die Schiedsgerichte von Shanghai und Shenzhen für unabhängig von der zentralen Schiedsorganisation China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) erklärt haben, stellt sich wieder einmal die Frage nach einer günstigen Schiedsgerichtswahl. Darüber hinaus wird weithin diskutiert, ob bestehende Schiedsklauseln, die auf die beiden Orte verweisen – immerhin die wirtschaftlich bedeutsamsten des ganzen Landes – nunmehr wertlos geworden sind. Denn im Mai 2013 weigerte sich das Mittlere Volksgericht von Suzhou, ein von der ehemaligen CIETAC Shanghai – jetzt Shanghai International Economic and Trade Arbitration Commission (SHIAC) – ergangenes Schiedsurteil aus dem Vorjahr mangels Zuständigkeit der SHIAC umzusetzen (Verfahren LDK Solar Co. Ltd. gegen Canadian Solar Inc.). Andererseits hat ein Gericht in Shenzhen im November 2012 eine Schiedsklausel für gültig erklärt, die auf die dort neu gegründete Schiedsorganisation South China International Economic and Trade Arbitration Commission (SCIA) verweist. In zwei vergleichbaren Fällen sind also unterschiedliche Urteile ergangen.
2011 hatten sich die CIETAC-Schiedskommissionen von Shanghai und Shenzhen unter neuer Bezeichnung und mit offizieller Registrierung der Lokalregierungen für unabhängig erklärt. Daraufhin hat die vermeintliche Zentralstelle, die CIETAC Peking, trotz Nichtanerkennung dieser Abspaltung eigene Sekretariate vor Ort eingerichtet. Nun bestehen also in Shanghai und Shenzhen (mindestens) zwei konkurrierende Institutionen, die für Schiedsverfahren zur Verfügung stehen. Überweigend wird aus diesem Umstand gefolgert, dass entsprechende Schiedsklauseln problematisch und bis auf weiteres gänzlich zu vermeiden sind.
Tatsächlich hat das Oberste Volksgericht noch keine Stellung zu dem Thema genommen. Allerdings stellt eine offizielle Verlautbarung der CIETAC Peking vom 31.12.2012, die im Journal des Volksgerichts erschienen ist, ausdrücklich klar, dass die Sekretariate der CIETAC in Shanghai und Shenzhen Fälle annimmt, bei denen die Schiedsklausel eine Entscheidung der CIETAC mit entsprechenden Schiedsorten vorsieht. Eine englischsprachige Verlautbarung vom 01.10.2013 bestätigt dies unter dem Stichwort „Relocation Announcement“.
Es besteht natürlich die Gefahr, dass jeder Gegner eines Schiedsverfahrens zunächst einmal die Zuständigkeit der jeweils ausgewählten Institution bestreitet, wobei ein Verfahren über diese Streitfrage wiederum mit erheblichem Aufwand verbunden sein würde. Jedoch befindet man sich m.E. auf der sicheren Seite, wenn man sich an das Sekretariat der CIETAC wendet. Denn außerhalb Shanghais werden Entscheidungen zugunsten der SHIAC kaum (politische) Unterstützung finden.
Zuletzt erscheint der Fall aus Suzhou nicht allgemein übertragbar, denn die Begründung stützt sich auf die mangelnde Zuständigkeit der Schiedskommission von Shanghai aufgrund abweichenden Parteiwillens. Vorgesehen in der Schiedsvereinbarung ist CIETAC, zum Zeitpunkt der Schiedsentscheidung jedoch, am 07.12.2012, war die streitentscheidende Organisation bereits transformiert in SHIAC. Denn deren Unabhängigkeitserklärung war bereits im April 2011, ihre Registrierung im Dezember 2011. Erklärter Parteiwille war indessen die Zuständigkeit der CIETAC. Das Gericht in Suzhou hatte also allen Grund, zu diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit von SHIAC für den Streitfall zu verneinen. LDK hatte den Fall bereits im Juli 2010 eingereicht, die Transformation fand also während des andauernden Verfahrens statt.
Vorsicht ist also sicherlich geboten, Anlass zu Panik besteht indessen nach der hier vertretenen Ansicht nicht. Wer ganz sicher gehen möchte, kann darüber nachdenken, seine aktuellen Schiedsklauseln in Absprache mit dem jeweiligen Vertragspartner in diesem Punkt zu überarbeiten.
(Stand 11/2013)